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Rechtliche Situation

Die verfassungsrechtliche Anerkennung der Gebärdensprache

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Am 1. September 2005 wurde folgende Bestimmung in Kraft gesetzt:

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Art 8 B-VG, Abs.3 besagt deutlich: „Die Österreichische Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt. Das Nähere bestimmen die Gesetze“.

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Es nahm jedoch viele Jahre in Anspruch, diese und weitere Forderungen erfolgreich durchzusetzen. Die ersten Versuche, die politische Anerkennung der ÖGS zu etablieren, gehen auf die Mitte der 80er Jahre zurück und scheiterten. Seitens des Parlaments wurde als Hauptgrund angegeben, dass die österreichischen Gehörlosen nicht als eigenständige Volksgruppe gelten würden und demzufolge auch die ÖGS nicht als ethnische Minderheitensprache anzuerkennen wäre. Im Jahre 1997 wurde der Art 7 B-VG schlussendlich um das wichtige Diskriminierungsverbot von Menschen mit Behinderungen ergänzt.

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Der Österreichische Gehörlosen-Bund hat im Februar 2003 einen Textvorschlag über Bestimmungen, welche für die Lebensführung Betroffener als relevant identifiziert wurden, im österreichischen Behindertengleichstellungsgesetz erarbeitet.

 

Unter anderem sind folgende Forderungen enthalten:

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  • Anerkennung der ÖGS als vollwertige Sprache in Österreich

  • Abhalten des gesamten Unterrichts an Gehörlosenschulen in der ÖGS

  • Verpflichtung von Menschen, die in gehörlosenspezifischen Einrichtungen mit gehörlosen Kindern arbeiten, die ÖGS zu beherrschen sowie Pflicht des Nachweises dieser Sprachkompetenz.

  • Erweiterung des Lehrplans von Gehörlosenschulen durch gehörlosenspezifische Informationen (Geschichte, Kunst und Kultur)

  • Anspruch auf das zur Verfügung-Stellen eines staatloch bezahlten Dolmetschers für hörbehinderte/ hörbeeinträchtigte Menschen, welche einen anerkannten Schul- Studien- oder Fachhochschulabschluss anstreben.
     

Dennoch bedurfte es vieler weiterer Impulse, um die endgültige Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache als eigenständige Sprache endlich im B-VG zu verankern. Ein essentieller Schritt in Richtung Gleichbehandlung war das 2002 formulierte Ziel einer „Verbesserung der Voraussetzungen für Gebärden- und Lautsprache auf Bundesebene“. Ein ursprünglicher Entwurf des Behindertengleichstellungsgesetzes vom Jänner 2004 impliziert:

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Abs. 2:
„Gehörlose, hörbehinderte und sprachbehinderte Menschen haben das Recht, die ÖGS zu verwenden. Soweit sie sich nicht in ÖGS verständigen, haben sie das Recht, andere geeignete Kommunikationshilfen oder Methoden (wie etwa lautsprachbegleitende Gebärden) zu verwenden.“

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Abs. 4.: Die Bundesregierung hat nähere Einzelheiten, insbesondere betreffend die Übernahme der Kosten von Gebärdendolmetschern, die Einbindung von Gebärdendolmetschern in Gerichts- und Verwaltungsverfahren und die Sicherstellung der Qualität der Ausbildung der Gebärdendolmetscher durch Verordnung zu bestimmen.“

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Ein Bericht des Verfassungsausschusses im Jahre 2005 stellt klar:

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„Die verfassungsrechtliche Verankerung der Gebärdensprache soll aus rechtssystematischen Gründen im Art 8 B-VG erfolgen. Das ändert natürlich nichts daran, dass es sich bei benachteiligender Nichtzugänglichkeit von Lebensbereichen für gehörlose und hörbeeinträchtigte Menschen um eine Diskriminierung im Sinne dieses Bundesgesetzes handeln kann.“

Beim Transfer selbst kamen jedoch die Absätze 2 bis 4 aus dem ursprünglichen Entwurf des Behindertengleichstellungsgesetzes abhanden, erhalten blieb der Passus ´§Das Nähere bestimmen die Gesetze´“.

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Das Behindertengleichstellungsgesetz

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Durch das BGStG wird der Art 7 B-VG konkretisiert. Gehörlosen Personen wird somit vor dem Gesetz der Behindertenstatus anerkannt. Ziel ebendieses Gesetzes ist die Intention, Diskriminierung von Menschen mit Behinderung zu verhindern und zu beseitigen, um eine gleichberechtigte und barrierefreie Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten. § 2 Abs. 1 des BGStG legt fest, dass die Bestimmungen dabei für alle Bereiche der Verwaltung durch den Bund unterliegen.

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Unter einer Diskriminierung aufgrund von Behinderung ist jede Unterscheidung, Ausschließung oder Beschränkung aufgrund von Behinderung zu verstehen, „die zum Ziel oder zur Folge hat, dass das auf Gleichberechtigung mit anderen gegründete Anerkennen, Genießen oder Ausüben aller Menschenrechte und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, bürgerlichen oder jedem anderen Bereich beeinträchtigt oder vereitelt wird“. Die umfasst alle Formen der Diskriminierung, einschließlich der Versagung angemessener Vorkehrungen.

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Die Republik Österreich ist zudem auch nach internationalem Recht dazu verpflichtet, sämtliche Diskriminierungen gegenüber Personen mit Behinderung zu unterbinden. Die innerstaatliche Wirkung wurde an einen Erfüllungsvorbehalt gebunden, da die UN-Behindertenrechtskonvention iSd Art. 50 Abs. 2 Z 3 B-VG „durch die Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist“. Durch die hier vorliegende spezielle Transformation in das österreichische Rechtswesen entstehen jedoch unmittelbar aus der oben beschriebenen UN-Konvention weder subjektive Rechte noch Verpflichtungen einzelner Personen. Folglich besteht also keine direkte Verpflichtung für private Leistungsanbieter aus der UN-Behindertenkonvention. Diskriminierte Betroffene können sich lediglich auf den Anwendungsbereich des Behindertengleichstellungsgesetzes bzw. der entsprechenden Landesregierung berufen. Somit besteht für ebendiese Personen keine Möglichkeit, dadurch Schadenersatz einzuklagen. Gegensätzlich zum unmittelbar anwendbaren Unionsrecht können auch keine Staatshaftungsansprüche gegenüber Österreich geltend gemacht werden. Liegt zudem der Fall vor, dass in einem anderen Gesetz bestimmte Diskriminierungen toleriert werden, ist eine Berufung auf das Behindertengleichstellungsgesetz ebenfalls nicht möglich. Trotz dieser mangelhaften unmittelbaren Anwendbarkeit ist die UN-Behindertenkonvention dennoch sehr wohl zur konventionskonformen Auslegung innerstaatlicher Auflagen heranzuziehen.

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Schober, C., Sprajcer, S., Horak, C. Klein, T., Djukic, B., Soriat, J., Pfeil, W. & Mayer, S. (2012). Evaluierung des Behindertengleichstellungsgesetzes. Sozialpolitische Studienreihe X, S. 219.

Vgl. BGBI III 2008/ 155

Schober, C., Sprajcer, S., Horak, C. Klein, T., Djukic, B., Soriat, J., Pfeil, W. & Mayer, S. (2012). Evaluierung des Behindertengleichstellungsgesetzes. Sozialpolitische Studienreihe X, S. 219.ff.

Staber, E. (2005). Gehörlose und Gebärdensprache in der Öffentlichkeit VII. Klagenfurt.

Kneihs, Art 8 Abs 3 RZ 1

http://portal.wko.at/wk/dok_detail_file.wk?AngID=1&DocID=381323&DstID=252&StID=193961; Zugriff am 16.1.2018

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